Meine Chemotherapie –
Fazit nach 88 Tagen
Stress in 4 Zyklen

Die Chemotherapie war körperlich und geistig anstrengend, belastend und intensiv. Manche Entwicklungen waren völlig überraschend, manches habe ich in etwa erwartet.
Mein Fazit nach 88 Tagen und insgesamt dreizehn Wochen in vier Infusionszyklen fällt gemischt aus. Was ist gut gelaufen, was weniger? Wann war es besonders belastend? Würde ich die Therapie nochmal machen? Wie würde ich die Sache bei einer Wiederholung besser angehen, wie besser vorbereiten? Es stellt sich auch die Frage, was aus medizinischer Sicht verbesserungswürdig wäre. Auf diese Fragestellungen und mehr gehe ich in meinem Fazit ein.
Meine Chemotherapie: So ist es gelaufen
Nach seichtem Start in den ersten Tagen hat die Chemo am Ende der ersten Woche erstmals richtig zugeschlagen. Energielos, abgeschlafft und mit Übelkeit und Verdauungsbeschwerden ging es in die zweite Woche. Meine Sorge war, dass sich das jetzt so durchziehen würde. Das hat sich nicht bestätigt. Der sechste bis etwa achte/neunte Tag waren im ersten und den folgenden drei Infusionszyklen jeweils die schlimmsten Tage. Danach setzte bis zur nächsten Infusion erstmal eine Erholungsphase ein. Ich kam zwischen den Infusionen zwar niemals auf 100 % Leistungsfähigkeit, aber 50 bis auch mal 70 % vom körperlichen und geistigen Ausgangszustand wurden doch immerhin in diesen etwa zweiwöchigen Ruhephasen zwischen den Infusionen meist wieder erreicht.
Meine Befürchtung, dass der Körper mit jedem Zyklus weiter abbaut und es im Verlauf der Therapie stetig körperlich und auch geistig bergab ging, hat sich jedenfalls nicht bewahrheitet. Tatsächlich ging es mir im zweiten von vier Infusionszyklus am besten. Der erste und der letzte Zyklus waren eindeutig die beschwerlichsten Zyklen mit den heftigsten Nebenwirkungen.
Abgesehen von einer bösen Einlage im ersten Zyklus mit Lungenembolie und Lungenentzündung, die sicherlich nicht repräsentativ für den üblichen Verlauf der Therapie sein dürfte, war der Verlauf der akuten Nebenwirkungen einigermaßen vorhersehbar. Allerdings eskalierten die Nebenwirkungen doch ziemlich stark im vierten und letzten Zyklus, den ich quasi auf dem Zahnfleisch mit Hängen und, im wahrsten Sinne des Wortes Würgen, mehr schlecht als recht überstanden habe.

Den Verlauf des körperlichen und geistigen Befinden während miner Chemotherpaie findet zu im Bericht „Meine Chemo in Zahlen„.
Meine Chemotherapie: Was lief besonders schlecht?
Besonders schlecht lief die erste Woche mit der ersten und zweiten Infusion zu Beginn und zum Ende der Woche. Das lag weniger an der Therapie selber, sondern eher daran, dass ich aufgrund meines Blasentumors auch Nachts dauernd zur Toilette rennen musste und ich auch Pech mit meinem Zimmernachbarn hatte, der mich Nachts kaum zur Ruhe kommen ließ. Das führt zu der simplen Schlussfolgerung, dass permantes Schlafdefizit völlig untauglich ist, wenn der Körper mit anderen Dingen, hier den Chemotheapie-Medikamenten, zu kämpfen hat.
Letztlich lief in meinem Fall im ersten Zyklus die dritte und vierte Woche vollkommen überraschend und belastend ab. Am Ende des ersten Infusionszyklus habe ich mir eine freundliche, lebensgefährliche Lungenembolie (Arterienverstopfung in der Lunge aufgrund von Blutgerinnseln) zusammen mit einer feinen Lungenentzündung eingehandelt. Die behandelnden Mediziner machten dafür meinen offensichtlich überaktiven Tumor verantwortlich. Das ist sicherlich alles andere als ein üblicher Verlauf und insofern kein gutes, repräsentatives Beispiel. Wie auch immer, ich habe die Sache überlebt, dank eines ausgesprochen fitten und engagierten Kardiologen.
Ansonsten kann ich von dem letzten und insgesamt übelsten und belastendsten vierten Zyklus als „schlecht gelaufen“ berichten. Ich bin am ersten Tag zur Infusion hundemüde nach viel zu wenig Schlaf und in beklagenswertem körperlichem Zustand angetreten. In der Nacht zuvor war ich über die Maßen unruhig und nervös und kam einfach nicht in den Schlaf. Meine Fitnessuhr vermeldete 1 Stunde und 52 Minuten Schlafzeit. Das jedenfalls hat sich gerächt in einem fürchterlichen Infusionsstart. Etwa die Hälfte der 4,75 Liter Infusionslösung habe ich noch in der Klinik wieder kopfüber im Klo versenkt. Und so nahmen dann auch die erste und auch noch die folgenden zwei Wochen ihren belastenden Verlauf. Dieser letzte Infusionszyklus war jedenfalls böse und massiv belastend. Ich habe in den vorigen Infusionszyklen immer wieder gearbeitet, in diesem Zyklus war daran nicht mal zu denken. Also dann auch noch für meinen Arbeitgeber belastend.
Was auch nicht gut lief, war die Entwicklung meines Blutbildes. Gestartet bin ich mit Blutwerten (rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen und Hämobglobin) im Normalbereich und geendet mit katastrophal niedrigen Werten. Auch hier hätte ich wirksam gegensteuern können mit z. B. der Einnahme von RNA-Fragmenten (siehe „Meine Chemo-Toolbox„). Diese Möglichkeit habe ich zu spät entdeckt. Also mussten meine weißen Blutkörperchen (das ist die Einsatztruppe im Blut gegen Infektionen) mit wirklich heftigen Spritzen zur Stimulation der Blutkörperchenproduktion im Knochenmark aufgepäppelt werden. Das hätte ich mir vermutlich leicht sparen können.
Darüber hinaus stellte sich bei begleitenden Blutuntersuchungen heraus, dass mein Omega-3-Fettsäurelevel bereits zu Beginn der Chemotherapie deutlich zu tief lag. Omega-3-Fettsäuren werden überaus hilfreiche Eigenschaften zur Stabilisierung des Immunsystemes und Unterstützung der Wirkung einiger Chemotherapeutika zugeschrieben (Details in „Meine Chemo-Toolbox„). Auch das wäre bei besserem Kenntnisstand leicht behebbar gewesen.
Meine Chemotherapie: Was lief besonders gut?
Tatsächlich gab es auch einige Lichtblicke. So kann ich vermelden, dass ich trotz aller Widrigkeiten durchgezogen und nicht abgebrochen habe. Ich hatte vor Beginn der Chemotherapie gehörigen Respekt. Insbesondere das in hoher Dosis verabreichte Medikament Cisplatin hat mich sehr beeindruckt. In der Vorrecherche kam es hinsichtlich der verursachten Nebenwirkungen ziemlich schlecht weg. Häufige Nebenwirkungen (1 von 10 Fälle) sind:
- Hämatologische Nebenwirkungen (massiver Abfall der weißen und roten Blutkörperchen und Blutplättchen).
- Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
- Beeinträchtigung des Gehörs.
- Erkrankungen der Niere (mögliches Nierenversagen).
- Fieber.
- Nervenschädigungen (Taubheit, Kribbeln, Schmerzen in v. a. Händen und Füßen).
Auf meine Nachfrage berichteten die behandelnden Ärzte, dass die Abbrecherquote bei diesem Medikament aufgrund der Nebenwirkungen ziemlich hoch ist. Letztlich habe ich einen Teil der Nebenwirkungen mitgenommen, aber schlussendlich eben nicht abgebrochen. Auch, wenn ich hin und wieder kurz davor stand und, gerade nach der Lungenembolie, nicht wusste, wie das jetzt weitergehen soll.
Ein weiterer Lichtblick war der Fakt, dass ich mich psychisch recht gut auf die Therapie eingestellt habe. Nach dem ersten Zyklus konnte ich ganz gut einschätzen, dass die Sache beherrschbar sein sollte und mich nicht umbringen wird. Das war zwar beinahe eine Fehlannahme, aber eben nur beinahe, denn ich habe auch die zwischenzeitliche Tumorattacke mit Lungenentzündung und -embolie überlebt. Auch mein Körper hat sich offensichtlich auf die Zytostatika eingestellt und die Infusionen zumindest im zweiten und dritten Zyklus ganz ordentlich weggesteckt. Also, kann ich jedem mitgeben, der in diese Therapiesituation kommt, dass es im Therapieverlauf eher besser als schlechter werden wird, bei üblichem, ungestörtem Verlauf jedenfalls.
Meine Chemotherapie:
Was hätte ich besser machen können?
Wie hätte ich mich besser vorbereiten können?
Tja, da gibt es schon so Einiges, was ich hätte verbessern können. Als da wären:
Schlafen! Schlafen! Schlafen!
Im Therapieverlauf wurde ich mal wieder vehement daran erinnert, dass guter, ausreichender Schlaf durch nichts zu ersetzen ist, außer duch noch besseren Schlaf.
In der ersten Krankenhauswoche wären die bestmöglichen, genau passenden, nicht herausrutschenden und souverän abkapselnden Ohrstopfen angebracht gewesen. Um im Zwei-Bett-Zimmer wenigstens etwas Ruhe zu bekommen, hatte ich mir von der Nachtschwester die Krankenhaus-Ohrstöpsel geben lassen. Die passten schlecht, rutschten aus dem Ohr und hatten auch keine gute Schalldämpfung. Klar, ein Einzelbettzimmer wäre die Lösung gewesen, jedoch nicht für Kassenpatienten ohne einen großen Geldbeute für eine Sonderlösung.
Zu Hause war ich mitunter hundemüde aber zu aufgedreht, um in den Schlaf zu kommen. Hier war ich insofern gehandikapt, als dass ich alle paar Stunden – auch Nachts – Wasser lassen musste. Mein noch nicht operierter Blasentumor halt. Um in der Nacht dann auch hochzukommen, konnte ich keine ultrastarken Schlafmittel einnehmen. Habe mich mit Hoggar Night (R) oder ähnlichen milderen Mitteln in doppelter Dosis beholfen. Letztlich war die Wirkung meist nicht ausreichend und es gab einfach zu viele Nächte mit zu wenigen Stunden Schlaf. Mein Rekord: 48 Minuten Schlafzeit (laut Fitnessuhr) in einer Nacht! Wäre die Sache mit dem Wasserlassen nicht gewesen, hätte ich mir ohne Bedenken auch die stärksten Schlafmittel wie z. B. Benzodiazepine gegönnt. Denn Schlaf ist mir bei hoher Belastung wichtiger als kurzfristige Nebenwirkungen. Diese Mittel machen zwar süchtig, aber wirken auch heftig. Das ist nun allerdings meine eigene persönliche Ansicht. Vor Anwendung immer mit dem behandelnden Arzt sprechen!
Bewegen! Bewegen! Bewegen!
Habe nach Möglichkeit versucht, in Bewegung zu bleiben. Mindestens ein täglicher Spaziergang mit einer Dauer von mindestens einer halben Stunde musste sein. So jedenfalls mein Plan. Ich habe das auch weitgehend und über viele Tage geschafft. Aber eben nicht an jedem Tag. Da war noch Luft nach oben, die ich bei einer Wiederholung unbedingt ausfüllen würde.
Warum? Letztlich ist Bewegung an der frischen Luft durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Bewegung. Das ist nicht nur meine Ansicht sondern deckt sich auch mit den Empfehlungen von Gesundheitsberatern und Medizinern.
Essen und Trinken
Beim Essen habe ich mir nicht allzuviel vorzuwerfen. Was ich nicht so gut hinbekommen habe, ist das Einhalten einer selbstverordneten Diät am Tag der Infusion und am Folgetag. Da hatte ich hilfsweise nur Gemüsebrühe und Gemüsesäfte auf dem Zettel. Die Idee dahinter ist eine Abminderung der Nebenwirkungen durch die Chemotherapie-Medikamente durch reduzierten Kalorienumsatz. Laut DUMAS & MENAT (2020) gibt es belastbare Studien zur Wirksamkeit einer Diät während einer Chemotherapie.
Ich habe jedenfalls versucht, diese Saftkur durchzuziehen, aber nicht immer gut hinbekommen. Das geht sicherlich besser.

Meine Chemotherapie-Toolbox
In meinem Fall habe ich Cisplatin in Kombination mit Gemcitabin im Rahmen von insgesamt vier jeweils dreiwöchigen Infusionszyklen bekommen. Gerade das platinhaltige Cisplatin ist bekannt für üble Nebenwirkungen. Und die habe ich dann auch tatsächlich mitgenommen. Allerdings gibt es schon so Einiges, was dagegen helfen kann, so zum Beispiel einige wirksame Hilfsmittel gegen Übelkeit, Ansätze bei Appetitverlust und Abgeschlagenheit oder auch gegen Haarausfall.
Für alle, die ebenfalls der Herausforderung Chemotherapie gegenüberstehen, habe ich versucht, meine besten Tips in der Chemo-Toolbox zusammenzufassen. Schau gerne rein. Ich hoffe, es hilft Dir, besser durchzukommen.