Tag 1

Zyklus 1 / Woche 1 / Tag 1, Montag

Mein Zustand im Überblick

Körperlicher Zustand66%
Mentaler Zustand75%
Übelkeit33%
Verdauung & Appetit66%
Schlaf20%
Fitness66%

Vorab bemerkt

Vorgesehen ist eine sogenannte neoadjuvante Chemotherapie, also eine Behandlung vor der eigentlichen, entscheidenden Operation. Dies dient dazu, den Tumor möglichst weitgehend zu verkleinern und eine mögliche Metastasierung zu unterbinden. Die Behandlung erfolgt in vier Infusionszyklen jeweils mit einer ersten Infusionswoche und zwei anschließenden Regenerationswochen, also einer insgesamt dreiwöchigen Zykluslänge. Die vorgesehene Gesamtdauer der Therapie beträgt damit 4 Monate.

Eingesetzt wird eine Mixtur aus Cisplatin aus der Gruppe der platinbasierten Wirkstoffe und Gemcitabin aus der Gruppe der Antimetabolite. Insbesondere Cisplatin gilt als besonders wirksam bei der Behandlung von Hoden-, Ovarial-, Harnblasen-, Plattenepithel- oder auch kleinzelligen Bronchialtumoren. Allerdings kann diese Platinverbindung auch bösartige Nebenwirkungen haben.

Die Chemotherapie wird stationär durchgeführt. Bedeutet, ein Infusionszyklus umfasst eine Woche mit Infusionen stationär im Krankenhaus, gefolgt von zwei Wochen zu Hause zur Erholung. Das ist eher ungewöhnlich, denn meist werden die Infusionen ambulant verabreicht. Na gut, diese urologische Station macht es eben so und verspricht sich dabei eine verbesserte, intensivere Überwachung und Kontrolle.

Der erste Tag

Ich beziehe morgens um 9 Uhr mein Bett. Es ist ein Zwei-Bett-Zimmer. Tja, keiner mag das, aber Kassenpatienten sind halt Kassenpatienten. Leider ist bereits ein Bett belegt. Gottseidank ist das Bett am Fenster noch frei. Mein Zimmernachbar ist geschätzt etwa 80 Jahre alt, leider dement und kaum ansprechbar. Na ja, was solls, bin ja nicht für gute Unterhaltung hier.

Nachdem die üblichen Voruntersuchungen gemacht wurden (Puls, Temperatur, Blutdruck, Sauerstoffsättigung) wird der Brustport angestochen und die Infusionsnadel gesetzt. Alles bereit für die Infusion. Mir wird mumig. Will ich mir wirklich diese Mixtur aus Zellgiften einverleiben lassen? Was kann passieren? Welche Nebenwirkungen werden mich ereilen und wie heftig wird das Ganze?

Nun ja, ich bin hier, um dem Krebs die rote Karte zu zeigen. Dazu habe ich mich nach langer Vorüberlegung nun einmal entschlossen. Auch wenn das eingesetzte Cisplatin zu den Zytostatika mit schlimmen Nebenwirkungen gehört, hat es auf der anderen Seite auch seine große Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Die Vor- und Nachteile habe ich für mich gründlich abgewogen und zugunsten der Chemotherapie entschieden. Nun soll es auch durchgezogen werden!

Etwa eine Stunde später geht es dann auch los. Gestartet wird mit einer NaCl-Lösung von einem Liter zum Vorspülen. Danach dann die erste Cisplatin-Infusion von einem Liter, gefolgt von einem weiteren Liter NaCl-Lösung zum Spülen. Danach dann die erste Gemcitabin-Gabe mit einer 0,5 l -Infusion sowie anschließend 0,25 l-NaCl-Lösung zum Spülen. Insgesamt habe ich innerhalb von rd. 4,5 Stunden also 3,75 l injiziert bekommen. Das Schlimmste daran war, dass ich ab der Cisplatin-Gabe etwa alle 100 durchlaufende Milliliter zum Pinkeln musste, insgesamt 27 mal! Das Ganze mit Beutelständer und Infusionspumpe. Was für ein großer SCHE… An diesem Tag war ich insgesamt 57 mal zum Klo, einsamer Rekord!

Wie fühle ich mich? Erstmal gut soweit, ein wenig mulmig, etwas Kopfschmerzen, sonst nichts. Ach ja, vor der Infusion habe ich diverse Pillen gegen Übelkeit bekommen. Die Nacht war geprägt von zwei- bis dreistündigen Toilettengängen (bedingt durch aktiven Blasentumor) und einen lauten Bettnachbarn.

Mein Zimmergenosse macht mich wahnsinnig in der Nacht. Wenn er nicht im Schlaf zusammenhanglos redet, dann röchelt und schnaubt er. Herrje, wie soll man da schlafen? Kann ja noch heiter werden in den nächsten Tagen. Bitte die Nachtschwester um Ohrenstöpsel. Damit geht es zumindest etwas besser.

Nächste Woche > | Nächster Zyklus >

< zurück zum Chemo-Tagebuch